Mittwoch, 24. September 2014

Dresden




Dresden:



Eine ostdeutsche Metropole mit sozialräumlichen Besonderheiten




                                                       Canaletto-Blick (Quelle: wkipeda)

Zu den wenigen deutschen Großstädten, deren Statistiker und Stadtforscher die Öffentlichkeit mit einem interaktiven Wahl- und Sozialatlas informieren, zählt die sächsische Landeshauptstadt Dresden. Damit wird nicht nur eine sozialräumliche Gliederung der Stadt, sondern auch eine sozialökologische Wahlanalyse möglich. 


Einer der Vorzüge besteht drin, dass sich jetzt kurz nach der Landtagswahl eine sozialräumliche Untersuchung des tatsächlichen Verhaltens der Wähler durchführen lässt. Dabei dürften die Resultate für die neugegründete AfD auf ein besonderes Interesse stoßen, da sich so die Entwicklung der Wählerstrukturen dieser Partei innerhalb eines Jahres, also zwischen der Bundestagswahl im September 2013 und der Landtagswahl im August 2014 erkennen lässt. Dabei wird eine stärkere Ähnlichkeit mit den CDU-Wählern erkennbar, aber auch eine Verlagerung der Schwerpunkte aus den bürgerlichen Vierteln in eher sozial benachteiligte Quartiere, auch wenn dabei nicht von einer Konzentration gesprochen werden kann.

Ein anderes Thema, das sich durch dieses Datenangebot zumindest teilweise beantworten lässt, sind die Unterschiede in der sozialräumlichen Struktur ost- und westdeutscher Städte. Das gilt nicht zuletzt auch für das sozialraumspezifische Verteilungsmuster des Wählerverhaltens, wo etwa im Vergleich zu Bremen die SPD und die Linke deutlich abweichende Wähleranteile und Verteilungsmuster aufweisen. So ist die Linke in Dresden vorrangig eine Partei der Plattenbaugebiete, denn in der sächsischen Hauptstadt sind die SPD-Wähler eher unabhängig von sozialräumlichen Vorgaben ohne große Unterschiede auf das Stadtgebiet verteilt. So besteht in Dresden auch keine räumliche Ähnlichkeit zwischen den Grünen und der Linken, die anders als im Westen kaum Wähler in einem alternativen Milieu finden.




                                      Blick auf die Altstadt (Quelle: wikipedia)



Tyische sozialräumliche Strukturen mit einigen DDR-Effekten


Auch wenn für die Barockstadt an der Elbe keine mehrdimensionale Gebietstypisierung wie etwa für Hannover oder Nürnberg vorliegt, lassen sich anhand der Sozialindikatoren die sozialräumlichen Verteilungsmuster in groben Zügen darstellen.


Das ist bei der jetzigen sächsischen Landeshauptstadt vor allem aus zwei Gründen auch eine spannende sozialökologische Fragestellung, da sich Dresden aufgrund seiner Geschichte als Residenzstadt des Kurfürstentums und späteren Königreichs Sachsen an der Verkehrsachse Prag-Hamburg deutlich von anderen Städten in der ehemaligen DDR unterscheidet, die kaum von einer ähnlich bedeutsamen Baugeschichte geprägt sind. Dazu waren sie wie die Residenzstädte in Mecklenburg und in Thüringen zu klein und zu arm.

Trotzdem findet man in der ehemaligen DDR-Bezirkshauptstadt auch Viertel, die von der inzwischen modernisierten "sozialistischen" Architektur geprägt sind und die man daher in keiner westdeutschen Stadt kennt.


Sozialräume und Sozialindikatoren in Dresden


Im Folgenden sollen die klassischen Faktoren der Sozialraumanalyse, also der soziale und der familiale Status, sowie als Ergänzung für aktuelle stadtpolitische Problemstellungen der Ausländer- und der Transferstatus vorgestellt werden. Als westdeutsche Vergleichsstadt wird dabei Bremen herangezogen.


Sozialer Status


Wählt man als Indikator für den sozialen Status eines Stadtgebietes die durchschnittliche Wohnungsgröße, ergibt sich ein relativ deutliches sektorales Muster, denn die auf der folgenden Karte dunkelgrünen Quartiere mit einem hohen sozialen Status liegen nördlich der Elbe östlich und westlich der Dresdener Heide, die hier als große weiße Fläche ausgespart ist.



                                        Wohnungsgröße 2012 (Quelle: Wahlatlas Dresden KW 2014)


Zu diesem Gebietstyp zählen u.a. Loschwitz, Lockwitz, Weißer Hirsch, Hellerau, Blasewitz und Gönnsdorf/ Pappritz, das hier mit den durchschnittlich größten Wohnungen als Beispiel für eine Detailbetrachtung gewählt wurde.


Familialer Status



Die Verteilung nach dem familialen Status, für die häufig der Anteil der Einpersonenhaushalte herangezogen wird, folgt dem erwarteten konzentrischen Modell. Die relative Häufigkeit der Singlehaushalte fällt von den dunkelgrün dargestellten Flächen im Zentrum über die weiteren Braun- und Gelbabstufungen bis zu den Grautönen am Stadtrand.



                                    Einpersonenhaushalte 2012 (Quelle: Wahlatlas Dresden KW 2014)



Den höchsten Wert findet man für das bürgerliche Loschwitz/ Wachwitz mit 69,7 %, den niedrigsten mit 23,3 % in Cossebaude/ Mobschatz/Oberwartha ganz an der westlichen Stadtgrenze und 24,8 % im Plattenbaugebiet Gorbitz-Süd.

Eine Absicherung dieser Ergebnisse lässt sich durch den Anteil der Haushalte mit Kindern erhalten, der wie ein geringer Anteil von Einpersonenhaushalten einen hohen familialen Status anzeigt, wenn man darunter in klassischer Weise einen Mehrpersonenhaushalt mit Kindern versteht.


Anteil der Haushalte mit Kindern ((Quelle: Wahlatlas Dresden KW 2014)


Hier zeigt die Verteilung weitgehend die Umkehr zu den Anteilswerten für Einpersonenhaushalte. Relativ viele Haushalte mit Kindern leben in den dunkelgrünen Gebieten am Stadtrand, besonders wenige in den hellgrauen im Stadtzentrum.

Das führt auch zu einer Verteilung der Haushalte mit Kindern, die deutlich von der in Bremen abweicht. In Dresden findet man besonders viele Haushalte mit Kindern in den gut bürgerlichen Wohngebieten (z.B. Gönnsdorf 26,7 %) und am Stadtrand (z.B. Streisen-Ost mit 27,5 % und Schönfeld 27,0 %)), während die Plattenbausiedlungen eher unterdurchschnittliche Werte aufweisen (z.B. Prohlis-Süd 13,8). Das ist zwar deutlich mehr als in der Inneren Altstadt mit 6,3 %, aber nicht mit den hohen Werten etwa in den WiN-Gebieten Bremens vergleichbar.

Aufgrund seiner Lage und dem deutlichen Bevölkerungszuwachs seit 1990 soll im Folgenden Schönfeld als typischer suburbaner Stadtteil mit einem hohen familialen Staus gewählt werden und auf der anderen Seite die Äußere Altstadt als typischer Stadtteil mit einer Alternativkultur, wobei dafür weniger diese Sozialindikatoren als das Image und die deutlich abweichenden Wählerstrukturen als Begründung dienen.

Ein politisch wichtiger Teilaspekt des familialen Status ist die Verteilung der älteren Menschen, die man in früheren Modellen kaum berücksichtigt hat. 



Anteil der Einwohner im Alter von 65 Jahren und mehr (Quelle: Wahlatlas Dresden KW 2014)


Hier findet man relativ hohe Werte für Stadtteile östlich der Innenstadt an der Elbe, aber auch in der Johannstadt-Süd, also nördlich des Großen Gartens mit 44,6 %. Häufig handelt es sich dabei um Gebiete mit Punkthochhäusern aus der DDR-Zeit, deren Lage weiterhin geschätzt wird.



Transferstatus



Die Verteilung der heutigen Gebiete mt einem hohen Transferstatus, also der Quartiere, in denen vor allem viele Hartz IV-Empfänger leben, hing im Osten wie im Westen von Entscheidungen der Stadtplanung ab, da es sich fast ausschließlich um Großsiedlungen mit zahlreichen Hochhäusern handelt, durch die rasch damals begehrter, moderner Wohnraum geschaffen werden sollte.


                              Hartz IV-Bezieher-Anteile (Quelle: Wahlatlas Dresden KW 2014)




Jetzt fallen diese Gebiete in Dresden als dunkelgrüne Einsprengsel zwischen Innenstadt und südlicher Stadtgrenze auf. Das gilt etwa für die deutlich erkennbaren Aggregate aus drei räumlich kleinen Bezirken in Westen (Gorbis) und im Osten (Prohlis). Als Beispiel wurde hier Prolis-Süd mit dem höchsten Anteil von Hartz IV-Beziehern von 37,3 % gewählt. Auch bei der Arbeitslosenquote liegt dieser Stat. Bezirk mit 18% in Dresden an der Spitze 

Anders als in manchen Großstädten der alten Bundesländer fehlt dieser Gebietstyp in Dresden als Trabantenstadt unmittelbar am Stadtrand.


Ausländerstatus


Abweichend von westdeutschen Städten ist auch die Verteilung nach dem Ausländerstatus, die weitgehend einem konzentrischen Muster folgt, wobei sich hohe Ausländeranteile in Dresden auf eine weitgefasste Innenstadt konzentrieren. In Richtung der Stadtgrenzen fallen die Anteile dann kontinuierliche auf sehr niedrige Werte. So sinkt der Anteil der Einwohner mit einem Migrationshintergrund von 26,3 %  in der Südvorstadt-Ost, also der Umgebung des Campus der Technischen Universität, auf 1,8 % in Schönfeld/Schullwitz.

In den sozial benachteiligten Vierteln Dresdens erreichen die Werte in den Plattenbausiedlungen im Durchschnitt höchstens 10 % der Einwohner, womit sie sich von der Verteilung in den alten Bundesländern deutlichen unterscheiden.


                                  Ausländeranteil 2012 (Quelle: Kommunalwahlatlas Dresden)


Ausgewählte Dresdener Sozialräume


Diese gesamtstädtischen Daten lassen sich für die ausgewählten und bereits angeführten Sozialräume in einer Zusammenschau betrachten, wie es die folgenden Tabelle versucht. Dabei werden die in der Realität auftretenden Kombinationen der Werte verschiedener Sozialindikatoren besonders deutlich, auf die später näher eingegangen werden soll.


Sozialräumliche Indikatoren ausgewählter Dresdener Stadtbezirke ( 2012)



Innenstadt-
naher Altbau
Plattenbau
Bürgerliches Viertel
DDR-
Innenstadt
Ausländer-
viertel
Seniorenviertel
Suburbanes Viertel
Stadtteil
Äußere Neustadt
Prohlis-Süd
Gönnsdorf
Seevorstadt-Ost
Südvorstadt-Ost
Johannstadt-Süd
Schönfeld/
Schullwitz
Hartz IV-Anteil
11,9
37,3
2,5
12,4
7,1
16,1
4,6
Arbeitslosenquote
6,7
18,0
3,1
7,3
3,7
7,6
4,0
Einpersonenhaushalte
69,6
56,7
27,4
62,7
58,3
54,0
23,8
Migrationshintergrund
12,8
10,4
2,6
15,9
26,3
12,7
1,8
Wohnungsgröße
61,3
57,5
100,1
51,7
62,2
60,3
89,5
Haushalte mit Kindern
16,1
13,8
26,7
12,0
7,9
8,7
27,0
Unter 18
17,5
13,9
18,7
6,4
7,8
7,5
18,3
65 und mehr
4,4
29,0
21,3
32,4
14,1
44,6
19,3
Quelle: Kommunalwahlatlas Dresden


Das Dresdener Landtagswahlergebnis in sozialräumlicher Sicht

Eine Leistung sozialräumlicher Analyse besteht darin, dass sie Zusammenhänge zwischen der Stärke einer Partei und beliebigen anderen Merkmalen von Stadtteilen, Stat.Bezirken, Wahlbezirken oder wie immer die gewählten Raumeinheiten gerade heißen, ermöglicht. Das ist sogar relativ schnell nach einer Wahl und ohne eine zusätzliche Informationsbeschaffung etwa durch Interviews möglich.


Ökologische Korrelationen zwischen Wähleranteilen und ausgewählten Sozialindikatoren bei der Landtagswahl 2014


Sozialindikatoren
CDU

SPD
Linke
FDP
Grüne
AfD

Wahlbeteiligung
0,34
0,31
-0,67
0,56
0,32
-0,26
Unter 18
0,18
-0,13
-0,65
0,28
0,30
0,05
18 - 40
-0,84
0,47
0,38
-0,43
0,59
-0,64
40 - 65
0,74
-0,59
-0,56
0,44
-0,44
0,65
65 und mehr
0,46
-0,08
0,27
0,09
-0,61
0,32
Durch. Wohndauer
0,77
-0,39
-0,28
0,39
-0,59
0,54
Migrationshintergrund
-0,58
0,47
0,59
-0,21
0,24
-0,51
Einpersonenhaushalte
-0,79
0,39
0,76
-0,62
0,31
-0,45
Haushalte mit Kindern
0,41
-0,21
-0,79
0,46
0,15
0,15
Arbeitslose
-0,35
-0,28
0,75
-0,59
-0,28
0,22
Hartz IV-Bezieher
-0,38
-0,24
0,78
-0,62
-0,26
0,19
Wohnungen in Eigenheimen
0,66
-0,43
-0,71
0,59
-0,19
0,33
Durch. Wohnungsgröße
0,53
-0,12
-0,78
0,72
0,08
0,04
Quelle: Landtagswahlatlas


Bei einem Blick auf die ökologischen Korrelationen zwischen den Parteianteilen und wichtigen sozialräumlichen Indikatoren fallen die absolut hohen Werte für die Linke und die Indikatoren auf, die für einen niedrigen soziale Status der Gebiete (wenige Eigenheime und kleine Wohnungen) sowie einen hohen Transferstatus stehen (viele Hartz IV-Bezieher und Arbeitslose). Auch der familiale Statuts dieser Hochburge der Linken, ist niedrig, da man dort vielen Einpersonenhaushalte und nur wenige Kinder vorfindet.

Nicht ganz so ausgeprägte Korrelationen weist die CDU auf, allerdings bei Indikatoren, die mehr oder weniger eine starkes Gegenbild zu Linken liefern. Das trifft vor allem, wenn auch vergleichsweise deutlich schwächer als bei der Linken, für die geringe Stärke in sozial begünstigten Quartieren zu. Deutlicher sind hingegen ein kleiner Anteil an Einpersonenhaushalten und eine hohe Wohndauer. 

Bei den anderen Parteien sind die Korrelationen meist weniger ausgeprägt. So findet man bei der SPD nur einen Wert, der über 0,50 beträgt und sich auf das Alter der Wohnbevölkerung bezieht. Danach wählen in Quartieren, in denen viele Einwohner zwischen 40 und 65 Jahre alt sind, nur wenige die SPD, die sich damit bei diesem Indikator gemeinsam mit der Linken und den Grünen deutlich von den anderen Parteien unterscheidet.

Während die FDP noch ausgeprägter als CDU ihre Wähler in Vierteln mit wenigen Transferleistungsempfängern und zahlreichen Eigenheimen und großen Wohnungen findet, unterscheiden sich die Grünen relativ stark von denen in einer westdeutschen Hochburg wie Bremen. Während dort ein Korrelationsquotient von 0,71 mit dem Anteil der Einpersonenhaushalte bei derselben Bundeswahl 2013 bestand, waren es in Dresden nur 0,31. Gewichtiger ist hier der positive Zusammenhang mit einem hohen Altersanteil der 18- bis 40-jährigen und eine negative Korrelation mit den über 65-jährigen sowie der Wohndauer. Es dürfte sich also um ähnliche Viertel mit mobilen jungen Menschen handeln, die allerdings verglichen etwa mit Bremen seltener als Singles wohnen.

Ein zweiter Zusammenhang, der sich mit den Daten eines Wahlatlasses berechnen lässt, ist die Ähnlichkeit der Parteien. Das ist allerdings eine sehr verkürzte Bezeichnung des Sachverhalts, denn rein statistisch geht es um den Grad an Ähnlichkeit, der bei der Verteilung der Wähleranteile von jeweils zwei Parteien auf die betrachteten Bezirke einer Stadt besteht.



Ökologische Korrelationen zwischen den Parteien bei der Landtagswahl

Partei
CDU
SPD
Linke
FDP
Grüne
AfD
CDU
1
-0,46
-0,57
0,58
-0,71
0,67
SPD

1
0,03
-0,07
0,55
-0,63
Linke


1
-0,65
-0,07
-0,15
FDP



1
-0,18
0,12
Grüne




1
-0,83
AfD





1
Quelle: Landtagswahlatlas

Nicht nur in der tagespolitischen Diskussionen (Oestreich), sondern auch in der räumlichen Verteilung ihrer Wähler scheint die AfD im Vergleich zu den anderen Parteien zu polarisieren; denn in Dresden besitzt sie die größere Ähnlichkeit mit einer anderen Partei, der CDU, und die niedrigste mit einer anderen, den Grünen. Dabei handelt es sich jeweils den positiven und negativen Extremwert. Diese Werte sind damit erheblich ausgeprägter als etwa die Ähnlichkeitsindikatoren für die Ähnlichkeit der SPD mit den Grünen oder vor allem der Linken, der bei 0 liegt und damit auf einen gar nicht bestehenden Zusammenhang aufmerksam macht.

Aus der Perspektive der CDU bestehen damit ähnliche Wählerverteilungen mit der AfD und der FDP, während sich die eigenen von denen der SPD, der Linken und vor allem der Grünen deutlich unterscheiden. Man könnte daher von einer Gruppe von drei Parteien sprechen, die teilweise ähnliche Wählerstrukturen aufweisen.

Die Linken besitzt als einzige Partei praktisch gar keine nennenswerte positive ökologische Korrelation mit einer anderen Partei. Das gilt abweichend etwa von Bremen sowohl für die SPD als auch die Linke. Der Grund dürfte die starke Position in Quartieren mit einem niedrigen sozialen Status und einem hohen Transferstatus sein, während die westdeutsche Linke auch in alternativen Vierteln erhebliche Stimmenanteile erreicht.

Diese Ergebnisse für alle Statistischen Bezirke Dresdens werden plastischer, wenn man sie für einzelne typische Sozialräume betrachtet und die unterschiedlichen Wähleranteile vergleicht.


Kommualwahlergebnisse 2014 in sozialräumlich ausgewählten Stadtteilen



Innenstadt-
naher Altbau
Plattenbau
Bürgerliches Viertel
DDR-
Innenstadt
Ausländer-
viertel
Seniorenviertel
Suburbanes Viertel
Stadtteil
Äußere Neustadt
Prohlis-Süd
Gönnsdorf
Seevorstadt-Ost
Südvorstadt-Ost
Johannstadt-Süd
Schönfeld/
Stullwitz
Wahlbeteiligung
60,8
35,5
66,4
52,3
57,9
53.0
58,0
CDU
8,7
28,4
34,8
29,6
21,7
30,0
39,6
SPD
12,6
10,6
12
14,4
15,7
14,2
10,3
Linke
20,2
31,6
13,4
23,2
19,7
28
11,6
FDP
2,6
3,8
7,6
5,3
5,5
4,1
10,6
Grüne
39,6
4,7
8,7
10,2
17,7
7,5
9,1
NPD
0,5
6,5
2,5
1,4
1,3
2,7
3,6
Quelle: Kommunalwahlatlas Dresden

Die aufgezeigten Unterschiede zwischen der CDU und der Linken finden ihren deutlichen Niederschlag in den Sozialräumen, für die die jeweiligen Sozialindiktoren besonders ausgeprägt sind. Das gilt bei der CDU für die bürgerlichen Viertel und die suburbanen Vororte, bei der Linken für die Plattenbaugebiete.

Auch bei diesem Blick auf konkrete Sozialräume fällt die geringe Abhängigkeit der Dresdener SPD von der Struktur der verschiedenen Viertel auf. Hier erreicht sie sogar ganz anders als im Westen in einem bürgerlichen Viertel einen höheren Anteil als in einem Plattenbauquartier; nur im suburbanen Raum ist der Anteil deutlich niedriger.

Die SPD und die Linke weisen damit im Westen und Osten sehr unterschiedliche räumliche Strukturen aus, was die praktisch nicht vorhandene Ähnlichkeit ihrer Wählerverteilung in Dresden erklärt. 



Zwischen Plattenbau und "Weißem Hirsch": das Wahlverhalten in den Sozialräumen


Besonderes Interesse verdienen die Entwicklungen in zwei relativ jungen Sozialraumtypen, in denen sich der soziale Wandel im Zuge des Trends zu einer Singlegesellschaft und als Folge der Globalisierung seinen räumlichen Niederschlag findet. Konkret handelt es sich dabei um Viertel innerhalb innenstadtnaher Altbaugbiete, in denen vor allem 18- bis 40-jährige Singles häufig ohne Kinder leben, sowie um sozial benachteiligte Gebiete, die sich durch einen hohen Anteil an Empfängern von Transferleistungen und eine niedrige Wahlbeteiligung identifizieren lassen.



Die Wahlbeteiligung : ein sozialräumliches Statusmerkmal

Eine entscheidende Größe für die Wähleranteile der Parteien und vor allem das Gesamtergebnis ist der Grad, zu dem die Parteien ihre Wähler mobilisieren können. Dabei hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Kluft der Wahlbeteiligung zwischen sozial benachteiligten Gebieten und bürgerlichen Vierteln herausgebildet. So weist etwa eine Studie der Bertelsmann Stiftung auf eine Wahlbeteiligug bei der letzten Bundestagswahl von nur 55,3 in Prohlis-Süd hin, während Loschwitz/Wachwitz "unübertroffene 83,3 Prozent" aufweist (Gagné/ Lieckefett)

Nach dieser statistischen Auswertung hängt in Dresden wie in fast allen anderen untersuchten Städten die Beteiligung stark vom Niveau der formalen Bildungsabschlüsse der Einwohner ab, womit auch die Arbeitslosigkeit und die Kaufkraft in einem Zusammenhang stehen.

Ein weitere Korrelation besteht mit der "Qualität der Bebauung", wobei zwischen dem Anteil von Ein- bis Zweifamilienhäusern in einem Stadtviertel und dem von großen Miets- und Hochhäusern differenzert wird. (Ebenda, S. 5)



   Wahlbeteiligung bei der Stadtratswahl 2014 (Quelle: Dresden, Kommunalwahl 2014, S.11 )



Das alternative Dresden


Neben den ausgeprägten bürgerlichen Vierteln, die während der DDR-Zeit ihre sozialräumlichen Struktur weitgehend bewahrt oder anschließend wiedergewonnen haben, sind die innerstadtnahen Wohnviertel für Dresden besonders typisch, da sie den Krieg mit der Bombardierung des Zentrums größtenteils unbeschadet überstanden haben. 

Hier hat sich innerhalb weniger Jahre ein Bevölkerungsaustausch abgespielt, der in den westlichen Bundesländern mehrere Jahrzehnte benötigt hat. Diese Quartiere, bei denen es sich um die Äußere Neustadt und einige Vorstädte handelt, haben sich zu Vierteln mit einer lebendigen Alternativkultur entwickelt. Das belegen die typischen sozialstatistischen Indikatoren wie der Anteil der Einpersonenhaushalte und der Anteil der Bevölkerung zwischen 18 und 40 Jahren, deren Anteil in der Äußeren Neustadt 59,8 % beträgt, während es in Gönnsdorf/ Pappritz nur 19,1 % sind.



               Verteilung der Wähler der Grünen (Quelle: Dresden, Kommunalwahl 2014, S.41)



Alternative politische Angebot in einem Alternativviertel


Aufgrund dieser besonderen sozialen Milieus stellen in Dresden Teile der innenstadtnahen Altbaugebiete, die weder durch Bomben noch später durch die Abrissbirne zerstört wurden, Inseln einer deutlichen unterschiedliche Wählerstruktur dar



                             Kreuzung Rothenburger/Louisenstraße (Quelle: wikipedia)

Die Äußere Neustadt ist allerdings nicht nur die Hochburg der zumindest früher als alternativ angesehenen Grünen. Hier gibt es inzwischen eine alternative Vielfalt, durch die in einzelnen Stimmbezirke die üblicherweise kleinen Parteien groß und die sonst großen Parteien wie die CDU und die SPD klein erscheinen. 
Dafür sind jedoch nicht ausschließlich hohe Anteile der Grünen, sondern auch die der Piraten und der Satirepartei "DIE PARTEI" verantwortlich, die hier trotz der fehlenden Erfolgsaussicht ihrer Parteien auf Landesebene treue und wenig strategische denkende Wähler besitzen.


Wähleranteile der Parteien (in %) bei der Stadtratswahl 2014


ParteiÄußere NeustadtLeipziger Vorstadt
Wahlberechtigte13.645
9.807
Wahlbeteiligung60,8
57,2
CDU8,7
11,7
Linke20,2
23,1
Grüne39,6
32,6
SPD12,6
11,1
FDP2,6
2,5
Freie Bürger (1)1,8
1,9
NPD0,5
1,3
AfD2,0
3,4
DIE PARTEI4,1
5,3
Piraten8,0
7,2

1) Anmerkung: Das Bündnis Freie Bürger ist eine unabhängige Wählervereinigung, die mit der FDP eine gemeinsame Fraktion im Stadtrat bildet. Ihre Hochburgen liegen vor allem in den bürgerlichen Vierteln. Sie selbst führt ihre Verluste bei der letzten Kommunal auf die Beteiligung der AfD zurück.
Quelle: Dresden (Hg) Wahlanalyse 2014, S. 35.



Großsiedlungen im Ost-West-Vergleich

Neben der Alternativkultur prägen weitgehend als Folge der Globalisierung und Migration sozial benachteiligte Gebieten viele Teile der deutschen Großstädten. Das gilt etwa für Bremen mit seinen WiN-Gebieten, wie dort dieser Sozialraumtyp aufgrund eines speziellen Förderprogramms genannt wird, sodass hier mehr als jeder vierte Bremer in einem solchen Gebiet lebt.


Bei einer Analyse ostdeutscher Stadtquartiere müssen die Plattenbauviertel besonders beachtet werden, da sie neben den neuen Innenstädten, in denen abweichend von det marktwirtschaftlich ausgerichteten westlichen City die Wohnfunktion eine größere Rolle spielt, eine bauliche Umwelt für einen neuen sozialistischen Menschen darstellen sollten.

Zwar lassen sie sich städtebaugeschichtlich ähnlich vielen Großbausiedlungen der 1960-er und 1970-er Jahre auf Gedanken zurückführen, die erstmals am Dessauer Bauhaus entwickelt wurde, jedoch bestehen deutliche Differenzen zwischen den architektonischen Absichten und der späteren gebauten Realität mit ganz realen Bewohnern. Das haben beispielsweise in besonderer Weise die Bremer Projekte eines verdichteten Städtebaus gezeigt, wo häufig zunächst „ideale“ Stadtteile versprochen wurden, dann aber schnell Maßnahmen ergriffen werden mussten, damit diese Viertel nicht völlig leer standen und zu kriminogenen Orten wurden, also zu Räumen, die eine Neigung zur Kriminalität gefördert haben. In Bremen wurde deswegen sogar ein spezielles städtebauliches Förderprogramm entwickelt, das in diesen Vierteln von 1983 und verstärkt seit 1998 bis heute eingesetzt wird, um sozialen Benachteiligungen entgegenzuwirken. 

Ein wichtiger Aspekt für die Beurteilung ist neben den vorherrschenden Bauformen, die durch ihre Eintönigkeit das Gefühl der Anonymität und damit der geringen Identifikation mit der Nachbarschaft verstärken können, die Selektion der Bewohner. Dafür ist einerseits die Mischung der angebotenen Eigentums- und Bauformen verantwortlich. Konkret geht es dabei um die Frage, in welcher Relation Eigentums- und Mietwohnungen angeboten werden, aber auch um den Grad de Durchmischung mit freistehenden Einfamilienhäusern und Reihenhäusern. 



Die Wähleranteile in Plattenbaugebieten bei der Stadtratswahl 2014 (in %)

ParteiProhlis-SüdGorbitz-Süd
Wahlberechtigte7.0956.831
Wahlbeteiligung35,535,7
CDU28,424,1
Linke31,630,9
Grüne4,75,8
SPD10,612,9
FDP3,62,9
Freie Bürger (1)3,13,8
NPD6,57,2
AfD9,39,4
DIE PARTEI0,00,0
Piraten2,13,0
1) Anmerkung: Das Bündnis Freie Bürger ist eine unabhängige Wählervereinigung, die mit der FDP eine gemeinsame Fraktion im Stadtrat bildet. Ihre Hochburgen liegen vor allem in den Bürgerlichen Vierteln. Sie selbst führt ihre Verluste bei der letzten Kommunal auf die Beteiligung der AfD zurück.
Quelle: Dresden (Hg) Wahlanalyse 2014, S. 35.


Bei den Wählerdaten für diesen Sozialraumtyp wird deutlich, dass hier die Linke knapp von der CDU liegt. Daneben erhielten bei der Kommunalwahl 2014 noch die SPD, die AfD und die NPD in den beiden Beispielen für diesen Gebietstyp mehr als 5% der Stimmen, wobei die SPD knapp vor der AfD rangierte. Auch lassen sich in diesen Siedlungen die großstädtischen Hochburgen der NPD finden.


Albert-Wolf-Platz in Prohlis(Quelle: wikipedia)



Damit unterscheiden sich diese Dresdner Plattenbaugebiete deutlich von dem Modellvorhaben eines verdichteten Städtebaus in Bremen-Tenever.


Prohlis-Süd und Tenever im Vergleich

Stadtteil
Tenever
Prohlis-Süd
Hartz IV-Anteil
38
37,3
Arbeitslosenquote
23,4
18,2
Einpersonenhaushalte
35,6
56,2
Ausländeranteil
32,6
18,2
Wohnungsgröße
76,9
57,5
Unter 18
23,5
13,9
Quelle: Bremen (Hg), Ortsteilatlas.  



Wenn man wichtige Sozialdindikatoren exemplarisch für das Quartier Prohlis-Süd mit denen von Tenever in Bremen vergleicht, fallen einige deutliche Unterschiede auf. Das beginnt bei der geringeren Wohnungsgröße im Dresdener Quartier, womit ein höherer Anteil an Einpersonenhaushalten und weniger unter 18-jährigen verbunden ist. Eine soziale Erklärung für diesen Tatbestand dürfte der erheblich höhere Ausländeranteil in Bremen sein, den man auch in Tenever findet. 



Die Indikatoren für sozial benachteiligte Gebiete, also der Anteil der Arbeitslosen und der Hartz IV-Empfänger, weisen hingegen ähnlich hohe Werte auf. Man kann also von sozialen Problemvierteln sprechen, die teilweise deutliche unterschiedliche Sozialstrukturen im Westen und Osten aufweisen. 





Zweitstimmenanteile (in %) bei der Bundestagswahl 2013 in Tenever und Prohlis-Süd

Partei
HB-Tenever
DD-Prohlis-
Süd
Wahlbeteiligung
50,1
55,3
CDU
31,1
36,0
SPD
38,8
13,3
Linke
11,7
28,5
FDP
2,8
1,7
Grüne
6,3
3,0
AfD
3,7
7,5
Quelle: Bundestagswahlatlas Dresden und Bremer Wahlatlas zu Bundestagswahlen.


Vor allem der höhere Ausländeranteil dürften in Tenever zu Wählerstrukturen geführt haben, die von denen in Tenever abweichen. Das beginnt bei der niedrigeren Wahlbeteiligung und reicht über den deutlich höheren Anteil der ehemaligen Arbeiterparteien SPD und Linke, die in Tenever mehr als 50% der Stimmen erreichen, in Prohlis-Süd hingen nur gut 40 %. 

Relativ große Unterschiede bestehen auch für die Grünen und die AfD, wobei die Grünen im der westlichen Beispielregion doppelt so stark sind wie in der östlichen, während es bei der AfD umgekehrt ist. 

   


Die Entwicklung der AfD in Dresden 2013-2014

Von einem besonderen aktuellen Interesse dürfte eine Analyse der Wählerstrukturen der immer noch jungen und gerade in Sachsen besonders erfolgreichen Alternative für Deutschland (AfD) sein. Das gilt etwa für mögliche Veränderungen ihrer Wählerstrukturen zwischen den letzten Wahlen.

Einen ersten groben Vergleich der AfD-Entwicklung kann man mithilfe der thematischen Kartenbilder der Wahlatlanten für die Bundes- und die Landtagswahl versuchen.





                   AfD-Anteile 2013 in Dresden (Quelle: Dresden (Hg.) Wahlanalyse 2013)



Danach lagen die Hochburgen bei der Bundestagswahl im September 2013 vor allem am Stadtrand und zumindest nach der Anzahl der Bezirke südlich der eingezeichneten Elbe.

Wenn man einen Unterschied zum folgenden Jahr feststellen will, muss man die folgende Karte zur Landtagswahl 2014 sehr genau betrachten.




AfD-Anteile 2014 in Dresden (Quelle: Dresden. Presseamt (Hg.), Wahlanalyse Landtagswahl 2014)


Auch wenn es sich um kein Bild zur Fehlersuche handelt, lassen sich nur wenige Unterschiede erkennen, wobei vielleicht die dunklere Farbgebung für die aus drei kleinen Teilflächen bestehenden Plattenbaugebiete im Südwesten und Südosten noch relativ gut erkennbar sind.

Ansonsten stößt man mit dem Informationswert des Kartenbildes jedoch schnell an Grenzen, die sich dank der angebotenen Korrelationrechnungen zwischen Wähleranteilen und Sozialindikatoren leicht überwinden lassen.





Entwicklung der ökologischen Korrelationen zwischen den Anteilen der AfD und ausgewählten Sozialindikatoren

Sozialindikatoren
AfD (BW 2013)
AfD (LW 2014)
Wahlbeteiligung
-0,09
-0,26
Unter 18
0,24
0,05
18 - 40
-0,56
-0,64
40 - 65
0,04
0,65
65 und mehr
0,11
0,32
Durch. Wohndauer
0,41
0,54
Migrationshintergrund
-0,58
-0,51
Einpersonenhaushalte
-0,39
-0,45
Haushalte mit Kindern
0,52
0,15
Arbeitslose
0,12
0,22
Hartz IV-Bezieher
0,04
0,19
Wohnungen in Eigenheimen
0,38
0,33
Durch. Wohnungsgröße
0,17
0,04
Quelle: Dresdener Wahlatlanten



Betrachtet man den Vergleich zwischen den Korrelationskoeffizienten für die Bundestagswahl 2013 und die Landtagswahl 2014 lassen sich sowohl deutliche Ähnlichkeiten, aber auch erhebliche Veränderungen erkennen, die sich von der Sache her nicht zwangsläufig durch das abweichende Gremium erklären lassen, das mit dem Bundestag bzw. dem sächsischen Landtag zur Wahl stand.



Weiterhin sehr ähnlich sind die absolut hohen negativen Werte für die Altersgruppe der 18- bis unter 40-jährigen, der Einpersonenhaushalte und für den Einwohneranteil mit einem Migrationshintergrund. Hier ist die AfD weiterhin in Quartieren mit einer ausgeprägten Alternativkultur und damit hohen Anteilen der Grünen schwach.



Eine Verlagerungen hat es hingegen bei den Gebieten gegeben, in denen relativ viele ältere Menschen und Haushalte mit Kindern leben. Hier war bei der Landtagswahl der Zusammenhang zum Alter der Bevölkerung stärker, was vermutlich bereits zu einer geringeren Korrelation mit den Haushalten mit Kindern geführt hat.


Geringfügig stärkere positive Korrelationen bestehen nach den Ergebnissen der Landtagswahl mit Indikatoren für einen höheren Transferstatus. Hingegen sanken gleichzeitig die geringen Zusammenhänge mit einem höheren sozialen Status.

Diese Zusammenhänge zwischen Sozialindikatoren und Parteipräferenzen finden ihren Niederschlag in einer Berechnung der Ähnlichkeit der Wähleranteile verschiedener Parteien, wenn man sie für die Werte der einzelnen Stadtteile betrachtet. Danach würde beispielsweise eine Korrelation den Wert 1,00 erhalten, wenn die beiden Parteien praktisch in denselben Stadtteilen stark bzw. schwach sind, wobei sich die Anteilswerte allerdings in der absoluten Höhe unterscheiden dürfen. Umgekehrt sieht es bei einem Wert von fast -1,00 aus, bei dem sich die Verteilung der Wähler im Stadtgebiet extrem unterscheidet. 



Vergleich der Ähnlichkeit der AfD mit den anderen Parteien 2013 und 2014
Partei
AfD 2013
AfD 2014
CDU
0,58
0,67
SPD
-0,53
-0,63
Linke
-0,17
-0,15
FDP
-0,12
0,12
Grüne
-0,7
-0,83
Quelle: Dresdener Wahlatlanten



Bezogen auf die AfD stellt man fest, dass dieser negative Extremfall fast für die AfD und die Grünen gilt, wobei sich diese Form der Entmischung sogar im letzten Jahr noch vergrößert hat. 



Auf der anderen Seite sind die Ähnlichkeiten in der schwarz-blau-gelben Gruppe größer geworden. Das gilt nicht nur für die ohnehin große Ähnlichkeit mit der CDU, sondern auch die mit der FDP, die jetzt nicht mehr negativ, sondern geringfügig positiv geworden ist. 



Diese gesamtstädtischen Entwicklungen lassen sich mithilfe der ausgewählten Dresdener Sozialräumen exemplarisch konkretisieren.



Entwicklung der AfD-Anteile ( in %) in ausgewählten Sozialräumen 2013-4

Sozialraum Stadtteil
BW 2013
LW 2014
Differenz
Hoher sozialer Status Gönnsdorf/ Pappritz
8,3
7,6
-0,7
Viele Singlehaushalte Äußere Neustadt
3,7
2,8
-0,9
Viele Haushalte mit Kindern Schönfeld/ Schullwitz
6,5
9,4
2,9
Viele alte Menschen Johannstadt-Süd
6,2
8,5
2,3
Mod. DDR-City Seevorstadt-Ost
6,3
8,0
1,7
Hoher Ausländerstatus Südvorstadt-Ost
6,4
6,7
0,3
Hoher Transferstatus Prohis-Süd
7,5
10,2
2,7
Dresden insgesamt
6,9
8,2
1,3
Quelle: Dresden. Presseamt (Hg.), Landtagswahl 2014.



Nach diesen Beispielen ist der AfD-Anteil keineswegs gleichförmig im gesamten Stadtgebiet gewachsen, sondern vielmehr unterschiedlich stark und war in einigen Sozialräumen sogar rückläufig. Letzteres gilt vor allem für die innenstadtnahen Altbaugebiete mit ihren hohen Anteilen für die Grünen, wo die AfD noch schwächer geworden ist, als sie es bereits im September letzten Jahres ohnehin schon war, und in den eher bürgerlichen Vierteln, wo man bei der Bundestagswahl Hochburgen besaß. 



Neue Schwerpunkt- und Zuwachsgebiete sind hingegen in Dresden die modernisierten DDR-typischen Plattenbausiedlungen, in denen abweichend von den westdeutschen Bundesländern weniger Ausländer und kinderreiche Haushalte leben, sowie die Stadtrandgebiete, die von den Effekten der Globalisierung weniger betroffen sind, da hier viele ältere Menschen, Familien mit Kindern in Eigenheimen und nur wenige Ausländer wohnen.



Zusammengefasst lässt sich damit über die Entwicklung der Wählerstrukturen im letzten Jahr in Dresden feststellen, dass von ihren Wählern her die AfD der CDU und in geringerem Maße auch der FDP ähnlicher geworden sind. Dabei besetzt die AfD innerhalb dieser Gruppe Lagers als Gegenpol zur FDP stärker die weniger wohlhabenden Quartiere, wozu auch die Plattenbauviertel zählen. Daher weicht die Verteilung ihrer Wähler auch von der der Grünen und der SPD besonders stark ab, während sie sich von der der Linken erheblich weniger unterscheidet.


Die CDU mit und ohne Merkel-Effekt



Weitere möglicherweise längerfristige politische Folgen lassen sich aus einem Vergleich der Entwicklung der AfD und der parallelen von CDU und FDP, also der Parteien ableiten, die hier aufgrund der Ähnlichkeit bei der räumlichen Verteilung ihrer Wähler als Gruppe bezeichnet werden. Dabei darf man allerdings nicht übersehen, dass die Bundestagswahl in der Öffentlichkeit vor allem als ein Merkel-Plebiszit gesehen wurde, während das bei der Landtagswahl für den CDU-Spitzenkandidaten und Ministerpräsidenten Tillich nicht denselben Maß zugetroffen hat.





Entwicklung der Anteile der schwarz-blau-gelben Gruppe zwischen der Bundestagswahl 2013 und der Landtagswahl 2014

Sozialraum Stadtteil
CDU
FDP
AfD
Zusammen
Anteil 2014 insgesamt
Hoher sozialer Status Gönnsdorf/ Pappritz
-7,2
1,1
-0,7
-6,8
55,5
Viele Singlehaushalte Äußere Neustadt
-4,6
-0,4
-0,9
-5,9
17,7
Viele Haushalte mit Kindern Schönfeld/ Schullwitz
-5,3
1,1
2,9
-1,3
60,5
Viele alte Menschen Johannstadt-Süd
-4,3
0,9
2,3
-1,1
48,9
Mod. DDR-City Seevorstadt-Ost
-5,4
1,5
1,7
-2,2
40,2
Hoher Ausländerstatus Südvorstadt-Ost
-3,7
0
0,3
-3,4
47,0
Hoher Transferstatus Prohis-Süd
-3,6
1,3
2,7
0.4
45,6
Dresden insgesamt

-4,3
0,7
1,3
-2,3
46,3
Quelle: Dresden. Presseamt (Hg.), Landtagswahl 2014. 


Rein rechnerisch haben die Entwicklungen der drei Parteien in der Summe den Verlust der CDU deutlich mehr als halbiert. Positiv hat die Gruppe dabei per Saldo sogar in den Sozialräumen mit einem hohen Transferstatus abgeschnitten, also vor allem in den Plattenbausiedlungen. Politisch wirksam sind dabei allerdings nur die Beiträge der AfD, da die FDP die 5 %-Hürde nicht übersprungen hat.

Solche Gruppen, wie sie sich nach der Ähnlichlichkeit von Wählerverteilungen andeuten, sind selbstverständlich keine Allianzen oder Koalitionen.

Wenn man allerdings die jüngere Parteiengeschichte verfolgt, muss man feststellen, dass sie nicht ohne einen mittel- bis längerfristigen Einfluss auf eine Lagerbildung waren. Voraussetzung ist dafür zwangsläufig zunächst eine Konsolidierung und nachhaltige Fundierung einer neuen Partei wie der AfD auf allen Ebenen angefangen in der Gemeinden und Stadtbezirken.

Nach einer "Gewöhnungsphase" hat es in ähnlichen Fällen im heutigen rot-rot-grünen Lager nur noch politische Überraschungen gegeben. 

So sahen zunächst nach der Gründung der grünen Partei die anderen Parteien in ihnen nur eine unangenehme Konkurrenz, die sie mit Verweisen auf einige grüne Politiker und deren Forderungen, die heute kam noch jemand kennt, kleinhalten wollten.

Später war es mit der PDS und nach der Vereinigung mit der WASG zur Linken ähnlich. Diese Parteien galten zunächst als Nachfolgerinnen der SED und waren damit zumindest historisch für die Schüsse an der deutsch-deutschen Grenze verantwortlich.



Als dann die Wähler der Grünen und der Linken der SPD politische Machtoptionen eröffneten, schienen viele Vorbehalte, die ohnehin nicht alle Wähler verschreckt hatten, vergessen und die Grünen und die Linke konnten Minister stellen.

Auf diese Weise erreichte man jedoch nicht nur politische Ämter. Ihre Grundlage war in jedem Fall auch eine bessere Ausschöpfung des Wählerpotenzials in ehemaligen "Diasporagebieten", wo die Sozialdemokraten selbst kaum reale Chancen besitzen. Das galt für die von den Grünen dominierten innenstadtnahen Altbaugebiete und in Ostdeutschland für die Plattenabauviertel als stabile Hochburgen der Linken.

Die Zukunft wird zeigen müssen, ob auf der anderen Seite des politischen Spektrum ein ähnlicher Prozess ablaufen wird. Gerade in einer Nach-Merkel-Ära dürfte das mit einer dann vermutlich stärker konsolidierten AfD für die CDU nicht ohne Reiz sein, wenn sich dadurch wie in Dresden auch in Sozialräumen bessere "Gesamtergebnisse" erzielen lassen, wo es der CDU allein nicht gelingt.

Die gezielte Entwicklung der Parteien in Sozialräumen ist daher eine Bedingung, die erst eine inhaltliche Diskussion über strategische Machtoptionen erlaubt (vgl. z.B. Wittrock)



Quellen:




Fritsche, Niels-Christian, Wiedemer, Rochus und Bache, Thomas, Villa und Zeile - Armut und Reichtum im Stadtbild Dresdens, Dresden WS 2006-7.


Gagné, Jérémie Felix und Lieckefett, Michael, Prekäre Wahlen. Milieus und soziale Selektivität der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013. Stadtbericht Dresden, Gütersloh 2013.

Landeshauptstadt Dresden. Geschäftsbereich Soziales (Hg.), Sozialatlas der Landeshauptstadt Dresden – öffentlicher Teil, Dresden 2006. 



Landeshauptstadt Dresden. Kommunale Statistikstelle (Hg.), Statistische Mitteilungen. Bundestagswahl 2013, Dresden 2013.


Landeshauptstadt Dresden. Kommunale Statistikstelle (Hg.), Statistische Mitteilungen. Europawahl – Kommunalwahl 2014. Ergebnisse in Dresden, Dresden 2014.


Landeshauptstadt Dresden. Stadtplanungsamt (Hg.), Integriertes Stadtentwicklungskonzept Dresden. Bericht 2009.



Lenz, Karl, Fücker, Michael u.a., Wie Kinder in Dresden leben. Zweite Dresdner Kinderstudie, Dresden 2005.



Oestreich, Heide, „Natürliche Geschlechterordnung“. Debatte Männerpartei AfD, in: taz vom 19.9.2014.

Wittrock, Philipp, Koalitionsmöglichkeiten der Union: AfD schrumpft Merkels Machtoptionen, in: Der Spiegel vom 15.9.2014.



An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei der Kommunalen Statistikstelle der Landeshauptstadt Dresden und vor allem bei Frau Claudine Kaul bedanken, die mich mit Auskünften zum Wahlatlas für die Landtagswahl 2014 unterstützt hat.


Anhang 

(Quelle: Berechnungen nach den Dresdener Wahlatlanten)


Landtagswahl 2014

Ökologische Korrelationen zwischen Wähleranteilen und Sozialindikatoren

Sozialindikatoren
CDU

SPD
Linke
FDP
Grüne
AfD

Wahlbeteiligung
0,34
0,31
-0,67
0,56
0,32
-0,26
Unter 18
0,18
-0,13
-0,65
0,28
0,30
0,05
18 - 40
-0,84
0,47
0,38
-0,43
0,59
-0,64
40 - 65
0,74
-0,59
-0,56
0,44
-0,44
0,65
65 und mehr
0,46
-0,08
0,27
0,09
-0,61
0,32
Durch. Wohndauer
0,77
-0,39
-0,28
0,39
-0,59
0,54
Migrationshintergrund
-0,58
0,47
0,59
-0,21
0,24
-0,51
Wanderungssaldo
-0,35
0,03
0,34
-0,22
0,16
-0,3
Einpersonenhaushalte
-0,79
0,39
0,76
-0,62
0,31
-0,45
Haushalte mit Kindern
0,41
-0,21
-0,79
0,46
0,15
0,15
Arbeitslose
-0,35
-0,28
0,75
-0,59
-0,28
0,22
Hartz IV-Bezieher
-0,38
-0,24
0,78
-0,62
-0,26
0,19
Wohnungen in Eigenheimen
0,66
-0,43
-0,71
0,59
-0,19
0,33
Durch. Wohnungsgröße
0,53
-0,12
-0,78
0,72
0,08
0,04




Ökologische Korrelationen zwischen den Parteien  

Partei
CDU
SPD
Linke
FDP
Grüne
AfD
CDU
1
-0,46
-0,57
0,58
-0,71
0,67
SPD

1
0,03
-0,07
0,55
-0,63
Linke


1
-0,65
-0,07
-0,15
FDP



1
-0,18
0,12
Grüne




1
-0,83
AfD





1


Stadtratswahl 2014


Ökologische Korrelationen zwischen Wähleranteilen und Sozialindikatoren

Sozialindikatoren
CDU
SPD
Linke
Grüne
FDP
NPD
Wahlbeteiligung






Unter 18
0,19
-0,30
-0,62
0,27
0,27
-0,02
18 - 40
-0,75
0,20
0,24
0,62
-0,39
-0,29
40 - 65
0,71
-0,41
-0,40
-0,49
0,43
0,38
65 und mehr
0,37
0,23
0,31
-0,59
0,05
0,08
Durch. Wohndauer
0,71
-0,16
-0,21
-0,60
0,37
0,15
Migrationshintergrund
-0,56
0,41
0,40
0,30
-0,28
-0,34
Wanderungssaldo
-0,26
0,04
0,25
0,16
-0,25
-0,11
Einpersonenhaushalte
-0,75
0,35
0,68
0,35
-0,61
-0,07
Haushalte mit Kindern
0,41
-0,36
-0,75
0,12
0,45
-0,05
Arbeitslose
-0,32
0,01
0,84
-0,28
-0,49
0,65
Hartz IV-Bezieher
-0,38
0,04
0,87
-0,23
-0,52
0,61
Wohnungen in Eigenheimen
0,66
-0,42
-0,70
-0,24
0,55
-0,02
Durch. Wohnungsgröße
0,49
-0,20
-0,81
0,02
0,60
-0,30


Ökologische Korrelationen zwischen den Parteien  


CDU
SPD
Linke
Grüne
FDP
NPD
CDU
1
-0,39
-0,4
-0,68
0,40    0,22
SPD

1
0,11
0,21
-0,23
-0,33
Linke


1
-0,27
-0,52
0,48
Grüne



1
-0,23
-0,68
FDP




1
-0,07
NPD





1

Bundestagswahl 2013



Ökologische Korrelationen zwischen Zweitstimmenanteilen bei der Bundestagswahl 2013 und Sozialindikatoren


Sozialindikatoren
CDU
SPD
Linke
FDP
Grüne
AfD
Wahlbeteiligung
0,41
-0,04
-0,79
0,62
0,29
-0,09
Unter 18
0,26
-0,52
-0,56
0,3
0,25
0,24
18 - 40
-0,83
0,59
0,28
-0,13
0,62
-0,56
40 - 65
0,75
-0,77
-0,41
0,19
-0,49
0,04
65 und mehr
0,39
0,09
0,23
-0,12
-0,57
0,11
Durch. Wohndauer
0,75
-0,45
-0,24
0,07
-0,58
0,41
Migrationshintergrund
-0,6
0,75
0,37
0,06
0,31
-0,58
Wanderungssaldo
-0,42
0,23
0,35
-0,19
0,25
-0,41
Einpersonenhaushalte
-0,03
0,12
0,2
0,2
0,19
-0,39
Haushalte mit Kindern
0,25
-0,23
-0,17
-0,1
-0,3
0,52
Arbeitslose
-0,41
0,05
0,84
-0,67
-0,29
0,12
Hartz IV-Bezieher
-0,48
0,15
0,87
-0,66
-0,24
0,04
Wohnungen in Eigenheimen
0,72
-0,68
-0,69
0,44
-0,21
0,38
Durch. Wohnungsgröße
0,6
-0,47
-0,82
0,7
0,06
0,17


Ökologische Korrelationen zwischen den Parteien  

Partei
CDU
SPD
Linke
FDP
Grüne
AfD
CDU
1
-0,58
-0,59
0,33
-0,67
0,58
SPD

1
0,27
-0,05
0,37
-0,53
Linke


1
-0,71
-0,12
-0,17
FDP



1
0,15
-0,12
Grüne




1
-0,7
AfD





1


Anmerkung: Zur Europawahl 2014 gibt es keine entsprechenden Rechnungen, da kein Wahlatlas erstellt wurde.



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